Zu den Shaolin schon immerhin bis Busterminal

Zu den Shaolin schon immerhin bis Busterminal

Nach 2 Wochen Training bei dem Kung Fu Meister in Peking faßte ich den Entschluss weiterzureisen. Ich hatte zu dieser Zeit Kung Fu immer noch nicht in seiner Tiefe verstanden. Gut der Meister konnte kein Englisch und ich nur ein paar Wörter Chinesisch also eine schwierige Lernkonstelation. Horse riding stance ja das hatte ich verstanden soll wichtig sein und ich konnte ihn auch nach den zwei Wochen ca. 35 Minuten halten unter Schmerzen und Schweiß. Kung Fu Fußarbeit, ein paar Handformen und Kicks, die ich aber schon kannte waren die Ausbeute bei dem Meister. Ich erklärte seiner schulenglisch sprechenden Tochter das ich weiterreisen werde und ich mich zum Shaolin Kloster aufmachen werde. Mit ihrem wenigen englisch verstand sie was ich sagte und übersetzte es für ihren Vater. Der Meister nickte mit dem Kopf und Töne wie houw, houw kamen gemurmelt aus seinem Munde. Als später mein chinesischer Wortschatz wuchs wußte ich das er damit wohl gut, gut meinte. Eigentlich wußte ich noch garnicht wie ich von hier zum Shaolin Kloster gelangen sollte Bus, Bahn oder Flugzeug. Der Meister lies von einem Schüler ausrichten das er mich zum Abendessen um 18:00 Uhr in seinem Haus einlädt. Eine art Abschiedsessen für mich mit seiner ganzen Familie. Alle waren dann ziemlich stolz das ein Westler , Langnase mit ihnen am Tisch saß. Ab 18:00 Uhr wurde dann durcheinander geredet, auf mich gedeutet mir auf den Rücken und Schultern geklopft, zugenickt während im Hintergrund sehr laut der Fernseher lief. Die ganze Familie, bestimmt waren auch entfernte Verwandte und Nachbarn dabei, saß am runden Tisch auf dem zehn Schalen mit unterschiedlichsten Essen standen. Ja, das war ein richtiges Festmahl und durch meine mittlerweile erlangten Fingerfertigkeiten mit den Essstäbchen konnte ich das zubereitete Essen gut greifen, fassen, festhalten ohne die Tisch zu verschmutzen. Zum Abschluss gab es noch einen Schnaps der meine Geschmacksknospen so wie meinen Magen stark herausforderten aber ich meisterte es mit einem verspannten Lächeln auf meinem Gesicht. In einem Notizbuch sollte ich noch meinem Name, Herkunft und etwas schreiben wie ich dasTraining mit dem Kung Fu Meister fand. Nachdem ich den Eintrag auf englisch fertig hatte verabschiedete ich mich. Jeder Anwesende schüttelte mir zum Abschied die Hände und die Männer taten dies sehr fest. Aus dem Haus raus, durch den Hinterhof und wieder auf der schneebedeckten Straße drehte ich mich noch einmal um und sah wie sich mein Meister samt Familie am Fenster standen und winkten. Ich winkte beidhändig zurück bevor ich meinen Kragen fester um meinen Schal schloß. Es schneite mal wieder und das mittlerweile bestens bekannte Geräusch von Schnee unter meinen Füßen klang mal wieder wie schräge Musik. Die Straßen waren wie ausgestorben das gegen 21 Uhr und den Weg zu meinem Hotel lief ich nach den zwei Wochen schon fast roboterhaft.

Morgen werde ich ein Busticket kaufen Richtung Shaolin Kloster denn ich hatte beim Abschiedsessen die Information bekommen an welchen Busterminal die Busse abfahren. Der Kung Fu Meister schrieb mir auf chinesisch Shaolin Kloster somit war die Chance groß ich damit bestimmt das richtige Ticket bekommen werde. Tatsächlich bekam ich mit diesen Abendessen- Informationen, den richtigen Busterminal und den Zettel mit Shaolin Kloster, ziemlich schnell das Bus Ticket zum Shaolin Kloster. Das hat mich sehr erleichtert den bis Dato war ein Ticketkauf nicht immer so flott und reibungslos. Noch eine Nacht hier in meinem Hotel und beim letzter Besuch in meinem Stammlokal, in dem immer noch der der funkelnde Plastik- Weihnachtsbaum stand, gab ich eine Lokalrunde chinesischen Schnaps aus, was alle Anwesende sehr freute. Als die Schnapsflasche leer war verschwand ich einfach nachdem ich für alles umgerechnet 5 Mark bezahlt hatte.

Um 6 Uhr sollte der Bus zum Shaolin Kloster losfahren im Hotel erklärte man mir da es besser ist eine Stunde vorher da zu sein um einen guten Platz zu ergattern. Also stand ich locker gegen 4 Uhr auf also die Zeit als würde ich zum Kung Fu Training aufmachen. War auch zeitlich und entspannt am Fernbus-Terminal. Die Garküchen um den Busterminal und auf den Straßen dampften in der Kälte so sehr das die Menschen welche diese Garküchen betrieben nicht zu sehen waren. Es duftete so wunderbar nach Nudelsuppe, den chinesischen Teigtaschen Jiaozi und Baozi und anderen Dingen die aber noch nicht kannte. An diesem frostigen Morgen entschied mich für eine wärmende leckere Nudelsuppe scharf und kaufte noch einige Teigtaschen für unterwegs denn ich hatte gelernt safety first. Zeigte der Baozi Straßenköchin mein Ticket und sie zeigt auf einen Bus welcher garnicht so weit weg stand. Nudelsuppen aufgewärmt bewegt ich mich auf den Bus zu und stieg ein da die Türe offen stand. Kein Mensch drinnen und auch kein Busfahrer ich dachte schön freie Sitzauswahl. Nach einer Weile sitzen bemerkte ich das die Temperatur im Bus die gleiche wie draußen war. Klar die Tür war offen und der Bus war noch nicht an. Es war 5:15 Uhr und Minus 18 Grad meine Finger wärmten sich an den nunmehr nur noch lauwarmen Baozi. Alles Metall im Bus schien vereist die Haltestangen, Haltegriffe etc. also man faste etwas an und hatte manchmal Angst festzukleben. Aus diesem Grund hatte ich mir Handschuhe aus Wolle gekauft (alle Chinesen liefen mit den gleichen rum). Diese gleichen Handschuhe waren dummerweise weiß aber ca. nur einen halben Tag lang. Danach waren sie schwarz, schmutzig grau etc. jeder der diese weißen Wollhandschuhe trug hatte seine eigene individuelle Farbgebung. Warm waren sie eigentlich auch nicht, vielleicht waren sie nur als Schmutz Schutz gedacht oder vielleicht dazu nicht an irgendwelchen Metall festzukleben.

Fired noodles mit Tofu in China, yummy

Es wurde mir wieder kalt bis zu den Knochen und ich war immer noch alleine in dem Bus. Ich ging hinaus Richtung Straßengarküchen um mir noch eine köstlich heiße Suppe zu holen. Das schöne war das man sich während des Wartens und Essens auf einen kleinen Plastikschemel in der Nähe des Garofens, welcher mit Kohle betreiben wurde setzen konnte, und sich wärmen. Beide Hände Richtung der glühenden Kohle gestreckt beobachtete ich die perfekten Handgriffe der älteren Chinesin welche mir die Nudelsuppe zubereitete. Ich dachte so vor mich hin und kam zum Schluß das sie Kung Fu im Nudel kochen hat. Das Besteck welches aus Essstäbchen bestand steckte in einem Behälter mit warmen Wasser, ohne Zusätze, wie zum Beispiel Spülmittel. Die ältere zahnlose Chinesin gab mir das Essbesteck nachdem sie es aus dem Wasserbehälter gezogen hatte, schnickte mit einer lässigen Bewegung das Wasser von den chopsticks ab. Kurzeitig erblickte ich, erhellt durch den Feuerschein, die Fingernägel der Frau im blauen Arbeiter- Winterdress. Schwarz waren die Fingernägel, so schwarz als hätte sie vorher in der Erde den Boden damit umgepflügt. Mein Gesundheitsmantra auf meiner Reise lies mich den Schrecken der Fingernägel wieder vergessen.

Bao Zi Street food im Winter

Gesundheitsmantra

Cook it

Peel it

or forget it

Da die bestellte Suppe frisch und heiß zubereitet wurde vergaß ich diese erblickten Umstände schnell. Wie schön es doch war das etwas heißes im Körper herabsank. Jeden Zentimeter Wärme spürte meine Speiseröhre als die köstliche Nudelsuppe herabfloss. Momente des Glücks kamen in mir auf und auch der Gedanke“Um glücklich zu sein Bedarf es manchmal nicht viel“. Diesen Gedanken schrieb ich dann auch später in mein Phrasenbuch welches Eindrücke, Erkenntnisphragmente, Gedanken und Sonstiges aushalten musste.

Kung Fu erlernen in China, Fortsetzung…

Kung Fu erlernen in China, Fortsetzung…

Die Tage wurden zur Routine. 4:00 Uhr aufstehen, Kung Fu lernen von 4:30 – 6:30 Uhr, mit schweren Beinen zum Hotel, hinlegen, verarbeiten des Erlernten, irgendwann frühstücken, wieder hinlegen, dann das Erlernte üben im kleinen Hotelzimmer, Sightseeing zu Fuß oder das Abenteuer auf sich nehmen, mit einem Bus zu fahren, man wußte eigentlich so gut wie nie, wo man hinfuhr. Gut, dass ich eine Visitenkarte des Hotels hatte, so war der Rückweg immer gesichert. Oft mußte ich ein Taxi nehmen, damit ich wieder zurückkam denn wer kannte schon Hotels eines anderen Bezirkes in Beijing. Die Taxis waren günstig im Vergleich zu Deutschland. Oft erklärte ich mit lustigen Gesten dem Fahrer das ich einen Teil meiner Reise auch durch Taxi fahren finanziert hatte. Erntete meist ein Kopfschütteln an Unverständnis was ich wiederum verstand. Denn als es an das Bezahlen der Fahrt ging kam ich nie über 2,50 DM bei Fahrten von ca. 30 Minuten. Diese Summe wurde schon beim einschalten auf dem Taxometer in Deutschland angezeigt ohne das sich das Taxi einen Meter bewegt hatte. Auf alle Fälle glaubten die meisten Fahrer mir nicht das man mit dem Taxifahren sich irgendwann eine Reise diesen Ausmaßes leisten konnte. Überhaupt war das studieren in Deutschland echt locker man konnte jobben ohne Nachweise an Krankenversicherung oder steuerliche Anmeldung nur der Studiennachweis war nötig. Der Service in Restaurants, Kneipen und eben auch Taxifahren war viel durch Studenten besetzt die ihr monatlichen Einahmen aufbesserten.

Die verbotene Stadt war überwältigend, ich konnte garnicht alles sehen und verarbeiten, obwohl ich drei Tage hintereinander dort war. Verbotene Stadt welch ein Name dachte ich, später wurde mir klar das keiner dieses Areal betreten durfte ohne Einladung deswegen für die meisten Menschen verboten war. Wow eine kaiserliche Stadt in der Stadt. Welch ein Glück ging mir durch den Kopf das einige aus kommunistischen Kaderriege sich dafür einsetzten sie stehen zu lassen und die „Verbotene Stadt“ nicht den marodierenden Soldaten der Volksarmee zu überlassen.

Die Erklärungen, Geschichten und Geschichte über diese atemberaubenden Kaiserstadt, welche durch den von mir gemieteten Kopfhörer kamen, waren in English gesprochen. Die Stimme von dem Schauspieler Peter Ustinov begrüßte mich herzlich und die Wärme dieser plumpen Kopfhörer wurden von meinen roten Ohren gerne angenommen. Ich erfuhr vom Schauspieler, dass die verwendete rote Farbe der Tore und Säulen hauptsächlich aus Schweineblut bestand und dass damals die Farbe Gelb nur dem Drachenkaiser und seiner Familie erlaubt waren zu tragen. Dass der Kaiser nie die hohen Treppen aufstieg, sondern immer in einer art Sänfte getragen wurde. Das mit der Sänfte, überlegte ich mir, wäre für den Zustand meiner Beine jetzt auch eine tolle Sache. Doch das war natürlich keine Option für mich als unkaiserliche Langnase. So beschloss ich, das Auf und Ab gehen auf den Treppen, und es gab sehr viele davon in der Verbotenen Stadt, als Kung-Fu -Nachmittagstraining zu sehen. Auch war dadurch die eisige Kälte an diesem Tag ganz gut auszuhalten.

Der Glanz der vergangenen Hochzeit chinesischer Kultur, die ich dort sah war wirklich in dieser Zeit ein extremes Kontrastprogramm zu der chinesischen Realität des gelebten Kommunismus, die ich dort tagtäglich erlebte. Die Eintönigkeit der Farben Blau, Grün und Schwarz, welche in dieser Zeit überwogen auf Pekings Straßen, ließen einem die Farbvielfalt im Kaiserpalast noch herrlicher wahrnehmen. Die Augen wollten gar nicht von der Farbpracht ablassen, denn man wußte, außerhalb von hier begann wieder die Tristesse der Eintönigkeit, verstärkt durch den schmuddelgrauen Schnee, der sich zuhauf entlang der Straßen zusammengeschaufelt auftat. Also genoss ich Rot, Gelb, Jadegrün, Perlweiß, Königsblau, das sich mir förmlich wie eine freudebringende Ode und Symphonie entgegenschlug. Ja, da waren wohl große Meister am Werk. Viel später erst kam ich in Kontakt zum Feng Shui, da wurde mir noch einmal bewußt, dass dieser Palast deswegen so überwältigend auf mich gewirkt hatte. Es waren nicht nur die Farben, es waren auch die perfekten Formen und auch die Himmels-Ausrichtungen der Gebäude. Eben ein Gesamtwerk meisterlichen Feng Shui, man spürte es, aber hatte nicht so eine richtige Erklärung für diese vielschichtige Harmonie, die plötzlich auf einen wirkte.

Der Bus, der mich in die Nähe meines Hotels brachte, war mal wieder mal ohne Heizung, aber es waren auch wie immer genügend Menschen zusammengedrängt, dass sich so etwas wie Wärme verbreitete. Es sei denn, man bekam nur einen Stehplatz in Türnähe, wo die Minusgrade bei jeder Türöffnung nur warteten, einen wieder erkalten zu lassen. Wie üblich starrten wieder viele Augenpaare auf mich, aber dem begegnete ich immer mehr mit innerer Gelassenheit. Die letzten Kilometer zu meinem Hotel ging ich wieder zu Fuß und bemerkte, mein Körper hatte sich langsam auf die Minus 25 Grad gut eingestellt. Denn diese Temperatur war nichts im Vergleich zu den am Morgen gegen 4:00 Uhr herrschenden. Mein Stammrestaurant hatte noch Licht und ich beschloss noch einmal, mir eine warme Mahlzeit zu gönnen. Als ich eintrat, fiel mir ein 40 cm großer Weihnachtsbaum aus Plastik auf, der mit bunten Lichtern geschmückt war, welche in einem nicht erfassbaren Rhythmus nervös flackerten. Der Wirt sah mich und zog mich zum Weihnachtsbaum und stammelte so etwas wie Chrixmax, zeigte auf mich und dann wieder auf den Baum und freute sich sehr. Seinen Gesten entnahm ich, dass er das für mich hingestellt hatte, denn es war kurz vor Weihnachten. Ich war für ihn so etwas wie gute Werbung, denn seitdem ich dort Stammgast war, kamen immer mehr Gäste, denn so einen fremden Teufel sah man in diesen Tage nicht so oft. Fertig gegessen machte ich mich auf den Weg zurück zum nahe gelegenen Hotel, nicht ohne mich von den mir zuwinkenden und alle in Arbeiterblau gekleideten Gästen kopfnickend zu verabschieden. Auf der Straße schaute ich noch einmal zurück, konnte aber hinter den milchigweiß beschlagenen Scheiben nur die flackernden bunten Kerzen des Weihnachtsbaums erkennen. Den Kragen zuknöpfend, blickte ich auf der fast menschenleeren Straße hoch und sah in der Nacht die beleuchteten roten chinesischen Schriftzeichen meines Hotels. Mittlerweile wußte ich, was sie bedeuteten – Jasmin Hotel. Dort angekommen, gab es die nächste freudige Überraschung. Der Lift war nach vier Tagen wieder funktionsfähig. Etwas skeptisch drückte ich auf den Knopf dritter Stock und kam dort auch ohne Probleme an.